Warum die Frage des Genderns für den DaF-Unterricht relevant ist
Es gibt sicher viele Lehrpersonen, die das generische Maskulinum vorziehen. Vielleicht sind sie einfach daran gewöhnt, finden es einfacher oder schöner. Wie auch sonst im Sprachunterricht sollte sich eine Lehrkraft aber bewusst sein, dass sie immer nur ein sprachliches Beispiel abgibt und es wichtig ist, den Lernenden zu zeigen, wie vielfältig Sprache sein kann. Da das Gendern in einigen Kontexten mittlerweile sehr verbreitet ist, geht es – unabhängig davon, wie man selbst zu dem Thema steht – darum diese Vielfalt im Unterricht abzubilden. Das lässt sich auch mit dem kulturreflexiven Ansatz der Landeskunde erklären, bei dem es darum geht, Lernenden Hilfsmittel an die Hand zu geben, die es ihnen ermöglichen, an gesellschaftlichen Diskursen teilzunehmen. Im Folgenden soll daher auf ein paar typische Fragen geantwortet werden.
Warum wird überhaupt gegendert?
Als Teil der feministischen Linguistik wurde mit dem Gendern teilweise schon in den 1960er Jahren begonnen, mit dem Ziel, Gleichberechtigung der Geschlechter herzustellen und nicht nur Männer sprachlich abzubilden. Anfänglich ging es insbesondere darum, Frauen in der Sprache sichtbarer zu machen. In verschiedenen Studien konnte mittlerweile festgestellt werden, dass Frauen beim Gebrauch des generischen Maskulinums, auch wenn sie mitgemeint sind, eher nicht mitgedacht werden. Dies ist vor allem bei Personenbeschreibungen, die in der Gesellschaft in den meisten Fällen immer noch stark männlich konnotiert sind, der Fall. Ist bspw. von Handwerkern, Mechanikern und Astronauten die Rede, sehen die meisten erstmal Männer vor dem inneren Auge, auch wenn durchaus eine gemischte Gruppe gemeint sein kann. In den letzten Jahren ist nun auch vermehrt die Kritik am binären System – das System also, dass nur von zwei Geschlechtern ausgeht und andere Geschlechtsidentitäten ausblendet – lauter geworden. Das hat zum einen dazu geführt, dass neue Formen hinzugekommen sind, die alle Geschlechter in der Sprache abbilden sollen. Zum anderen gibt es eine Tendenz dahingehend, sich vermehrt genderneutraler Formulierungen zu bedienen.
Wo wird gegendert?
Besonders im akademischen Kontext – und insbesondere in den Geisteswissenschaften – ist das Gendern mittlerweile sehr verbreitet. Wenn Lernende also bspw. vorhaben, im deutschsprachigen Raum zu studieren, werden sie auf jeden Fall auf gegenderte Texte treffen und solche höchstwahrscheinlich auch schreiben. Als Lehrkräfte tun wir ihnen also einen Gefallen, wenn wir sie schon vor einem Studienaufenthalt damit vertraut machen.
Auch in vielen Medien – in Zeitungsartikeln, in den Nachrichten, Podcasts oder in den sozialen Medien – hört und sieht man immer wieder Formen, die sich nicht des generischen Maskulinums bedienen. Wenn wir also in unserem Unterricht mit authentischen Materialien arbeiten wollen, können wir diese Formen nicht ignorieren.
Wichtig zu erwähnen ist an dieser Stelle allerdings, dass es kontextabhängig sein kann, ob eine Person gendert oder nicht. Das ist nichts Ungewöhnliches, wenn man bedenkt, dass sich das Gendern einem bestimmten Register zuordnen lässt. So wie es für eine Sprachgemeinschaft ganz natürlich ist, dass eine Person je nach Kontext formell oder umgangssprachlich spricht, dass sie manchmal eine einfache und in anderen Fällen eine akademische Sprache verwendet, dass sie je nach Situation im Dialekt, Soziolekt oder in der Standardsprache spricht, so gibt es auch Personen, die in manchen Kontexten gendern, in anderen wiederum nicht. Das impliziert auch, dass das Maskulinum weiterhin zweideutig ist: Es kann sich nur auf Männer beziehen und es kann sich als generisches Maskulinum auf alle Menschen beziehen, unabhängig von ihrem Gender.
Wie wird gegendert?
Eine allgemeingültige Regelung für das Gendern gibt es nicht. An dieser Stelle werden einige im Moment besonders geläufige Fοrmen vorgestellt, die für Personenbezeichnungen verwendet werden (auf die Diskussion um Pronomen wird im Folgenden also nicht eingegangen).
Die Lehrerinnen und Lehrer
Bei dieser Form handelt es sich um die Doppelnennung. Sie wird besonders häufig in offiziellen Ansprachen verwendet (z.B. Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger). Auch wenn die feminine Form oft zuerst genannt wird, liest und hört man auch Texte, bei denen die maskuline Form vorangestellt wird.
die Lehrer/-innen
die LehrerInnen
Der Schrägstrich mit Bindestrich und das Binnen-I sind Abkürzungen der oben beschriebenen Doppelnennung. Werden diese Formen gesprochen, löst man sie also wieder auf und spricht von Lehrerinnen und Lehrern. Insbesondere das Binnen-I kann für DaF-Lernende eine Herausforderung darstellen, da es einem kleinem „L“ gleicht. Auch den Schrägstrich mit Bindestrich kennen Lernende häufig in einer anderen Funktion, wenn nämlich durch den Bindestrich der Plural eines Substantivs angegeben wird (z.B. „die Klasse/-n“) Auch hier ist es wichtig, beide Funktionen des Bindestrichs zu kennen.
Die Lehrer*innen
Die Lehrer:innen
Die Lehrer_innen
Der Genderstern, der Doppelpunkt und der Unterstrich haben gemeinsam, dass sie alle Geschlechtsidentitäten einbeziehen. Ausgesprochen werden Wörter mit Sternchen, Doppelpunkt oder Unterstrich mit dem im Standarddeutschen durchaus gebräuchlichen Knacklaut. Zwischen „Lehrer“ und „innen“ wird also eine kurze Pause gemacht, was dazu führt, dass das „r“ – anders als bei Lehrerinnen – vokalisiert wird. Das kennen DaF-Lernende meistens schon aus Wörtern wie „Verein“ oder „Erinnerung“.
Insbesondere im DaF-Unterricht ist es aber wichtig darauf hinzuweisen, wo die Grenzen von Formen mit Sternchen, Doppelpunkt und Unterstrich aber auch von den Abkürzungen der Doppelnennungen liegen. Dazu gehören unterschiedlich deklinierte Adjektive (z.B. eine erfahrene Lehrerin / ein erfahrener Lehrer) oder wenn sich wie bei „Arzt“ und „Ärztin“ die maskuline und feminine Form auch durch einen Umlaut unterscheidet. In diesen Fällen kann auf Alternativen zurückgegriffen werden.
Der Doppelpunkt kann zusätzlich eine Herausforderung für DaF-Lernende darstellen, da er in einer anderen Funktion zu den Satzzeichen der deutschen Rechtschreibung gehört. Umso wichtiger ist es, Lernende darüber zu informieren, dass der Doppelpunkt auch eine andere Funktion haben kann.
Die Lehrenden
Partizipien gelten im Plural als genderneutral und einige davon haben sich in den letzten Jahren etabliert. So wird im DaF-Kontext immer mehr von Lehrenden und Lernenden gesprochen und wer heutzutage studiert bekommt in der Regel einen Studierendenausweis. Wenn es im DaF-Unterricht um Partizipien geht, kann auch diese Funktion gut besprochen werden.
Lehrkräfte oder Lehrpersonen
Eine weitere Möglichkeit genderneutral zu formulieren, sind Personenbezeichnungen, die auf „-person“ oder „-kraft“ enden oder Substantive wie „der Mensch“ oder „das Mitglied“, deren Artikel lediglich mit einem grammatischen nicht aber mit einem biologischen Geschlecht in Verbindung gebracht werden.
Muss ich gendern?
Prinzipiell ist niemand dazu verpflichtet zu gendern. Insbesondere im privaten Bereich kann nicht vorgeschriebenen werden, wie eine Person spricht. Wenn Lernende im deutschsprachigen Raum arbeiten, lohnt es sich aber sie darauf aufmerksam zu machen, dass es in einigen Institutionen oder auch Firmen mittlerweile dazu gehört zu gendern und dass es insbesondere bei einer direkten Ansprache unhöflich oder uninformiert wirken kann, das generische Maskulinum zu verwenden.
Wie bereits erwähnt gibt es keine allgemeingültigen Regeln für das Gendern und Sonderzeichen wie das Sternchen sind in der deutschen Rechtschreibung in der Mitte eines Wortes (noch) nicht vorgesehen. An dieser Stelle sei aber erwähnt, dass der Duden seine Einträge angepasst hat und u.a. eigene Einträge für feminine Personenbezeichnungen hinzugefügt hat, wobei er – wie auch in vielen anderen Fällen – deskriptiv auf eine Veränderung in der Sprachwahrnehmung reagiert hat. Veränderungen wie diese sind nichts Ungewöhnliches, sondern ein ganz natürlicher Prozess. Denn Sprache hat sich schon immer verändert und wird sich auch immer verändern, dagegen lässt sich gar nichts tun. Inwieweit sich das Gendern durchsetzt, wird nicht irgendeine Instanz, sondern die Sprachgemeinschaft entscheiden.
Für uns als Lehrkräfte geht es darum, diesen Sprachwandel im Blick zu behalten. Das Gendern ist lediglich ein Beispiel dafür, dass wir immer auf dem Laufenden bleiben müssen. Wir können nicht unreflektiert irgendwelche Materialien verwenden, was allein die Durchsicht von älteren Lehrwerken deutlich macht. Man denke an Begriffe wie „Fräulein“ (so wird heute keine Frau mehr angesprochen) oder „Vetter“ (das französische Wort „Cousin“ hat sich hier durchgesetzt) oder an die Präposition „trotz“, die nicht immer mit dem Genitiv stand (was an dem Wort „trotzdem“ noch gut zu erkennen ist). Diesen eher schleichenden Sprachwandel nehmen wir oft gar nicht wahr, irgendwann einigen wir uns aber darauf, dass ein Wort oder ein Ausdruck veraltetet ist oder falsch klingt. Beim Gendern ist das ein bisschen anders. Durch die Diskussion, die das Thema allgemein begleitet, können wir den Sprachwandel sozusagen „live“ miterleben. Das können wir auch im Unterricht ganz transparent machen und somit zeigen, dass Sprache nicht nur vielfältig, sondern auch immer im Wandel ist.